Das Corona Projekt

Was tun, wenn gemein­sam Musi­zie­ren nicht mehr mög­lich ist? So wie viele andere Musik­ver­ei­ne auch, haben wir in der zwei­ten März­wo­che mit unse­ren drei Orches­tern Blas­mu­sik, JUBO und JUNO den Musik­be­trieb ein­ge­stellt. Was zuerst noch als eine kleine Pause oder Unter­bre­chung emp­fun­den wurde “… supa, hamma amoi zwoa Wocha a Ruah vo da Musi, und dann geht’s eh wieda voll weida”, stell­te sich für viele schon bald als großer Ver­lust heraus. Und dar­über konn­ten auch diver­se Soli­da­ri­täts­ak­tio­nen wie das Trom­pe­ten und Singen von Musik­stü­cken aus Fens­tern und von Bal­ko­nen nicht hin­weg­trös­ten. Freude schö­ner Götterfunken!

Es wurde uns sehr bald klar, dass es neue, krea­ti­ve Wege brauch­te, dem Bedürf­nis nach gemein­sa­mer, musi­ka­li­scher Beschäf­ti­gung nach­zu­kom­men und den orches­tra­len Ent­wick­lungs­pro­zess am Laufen zu halten. Im Jugend­blas­or­ches­ter haben wir dazu die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten von Online- Video­te­le­fo­nie genutzt. Gemein­sam und online zu musi­zie­ren war natür­lich nicht mög­lich, denn in einem Orches­ter benö­tigt jede/jeder zwin­gend immer den direk­ten Kon­takt zu den ande­ren Musi­kern, um seinen Bei­trag zum Gesamt­klang mit den ande­ren abzu­stim­men. Aber “reden” über die Musik, das konn­ten wir.

Und das haben wir auch getan und wir haben ent­de­cken dürfen, wie wert­voll und hilf­reich das sein kann. Immer zu Beginn einer Woche orga­ni­sier­ten wir Online-Bespre­chun­gen mit allen Satz­füh­rern der unter­schied­li­chen Instru­men­ten­grup­pen. Dabei haben wir uns aus dem aktu­el­len Kon­zert­pro­gramm ver­schie­de­ne Stel­len her­aus­ge­grif­fen und bespro­chen, wie diese nach den Vor­stel­lun­gen des Kom­po­nis­ten klin­gen müssen. Die krea­ti­ve Auf­ga­be bestand dann darin, Ideen zur musi­ka­li­schen Umset­zung zu ent­wi­ckeln: Wie müssen die Flöten ange­bla­sen und mit den Kla­ri­net­ten abge­stimmt werden, um einen typisch schwe­di­schen Vokal- und Dudel­sack­klang für das Arri­val der Pop­grup­pe Abba zu erlan­gen? Welche Instru­men­ten­grup­pen und Ton­la­gen müssen her­vor­ge­ho­ben werden für einen gol­de­nen, runden Klang? Wie müssen die Posau­nen die Töne anle­gen, damit das Stück an Leich­tig­keit gewinnt? Welche Schlä­gel und Schlag­tech­nik wähle ich für die Pauke, wenn es bedroh­lich klin­gen soll?

Die Auf­ga­be für jeden Satz­füh­rer bestand nun darin, seine/ihre Umset­zungs­vor­schlä­ge und Ideen mit der jewei­li­gen Instru­men­ten­grup­pe zeit­nah und wie­der­um online bespre­chen, so dass jeder zuhau­se üben konnte. Rich­ti­ge Töne und Rhyth­mus vor­aus­ge­setzt, lag der Fokus auf der Gestal­tung, dem “Wie”. Immer im Bewusst­sein für das gemein­sa­me musi­ka­li­sche Ziel.  Klar brauch­te es gegen Ende jeder Woche dann noch eine Feed­back-Runde mit Diri­gent und Musi­kern, um Erfah­run­gen aus­zu­tau­schen. Was hat gut geklappt? Wo war es schwie­rig? Was kann man dage­gen tun? Die Rück­mel­dun­gen konn­ten dann in der dar­auf­fol­gen­den Woche in die nächs­ten Auf­ga­ben einfließen.

Die neue Her­an­ge­hens­wei­se war für uns weit mehr als eine Über­brü­ckung der pro­ben­frei­en Zeit. Unser musi­ka­li­scher Arbeits­pro­zess ist rei­cher gewor­den an Metho­den und wir haben uns in einer Art und Weise wei­ter­ent­wi­ckelt, die ohne die ver­ord­ne­te Zwangs­pau­se nicht denk­bar gewe­sen wäre.

Aktu­ell dürfen wir unter Auf­la­gen wieder zusam­men musi­zie­ren (wir benö­ti­gen für die Ein­hal­tung der Sicher­heits­ab­stän­de die Fläche der halben Mehr­zweck­hal­le). Jetzt wollen wir die Kraft des Zusam­men­wir­kens auch wieder live erle­ben. Denn durch Kom­bi­na­ti­on der Mate­ria­li­en “Klang” wird das Ergeb­nis so uner­mess­lich viel schö­ner, als es ein Ein­zel­ner jemals errei­chen könnte.

Ich wün­sche mir, dass mög­lichst viele die aktu­el­le Situa­ti­on wie wir auch als Chance erle­ben. Lasst sie uns nutzen und stets offen blei­ben für Veränderung!

Richard Mot­tin­ger